Missionshilfe Pedro II

Projekte die wir unterstützen

Ökoschule Thomas á Kempis

Pedro II, Mai 2010

Die Ökoschule feiert 2010 ihr 10-jähriges Bestehen. In diesem Zeitraum ist eine Idee Wirklichkeit geworden. Im Vergleich zur europäischen Schulgeschichte erscheint dieses Zeitfenster klein. Aber verglichen mit der Zeit vor 30 Jahren, wo der Abschluss der 8. Klasse in Pedro II noch ein Privileg für Wenige war, müssen wir zugeben, dass wir nicht nur eine zusätzliche Schule aufgebaut haben, sondern auch ein umfassendes und neues pädagogisches Konzept ins Leben gerufen haben.

Durch die Ökoschule ist klar geworden, dass Bildung auch für Kinder aus armen Familien möglich ist. Damit haben wir einen alten Mythos der Bevölkerung und der politischen Klassen in eine neue Realität überführt. Unser Verdienst ist sicherlich, dass wir fest davon überzeugt sind, dass auch das denkbar Unmögliche wie im Fall der schulischen Bildung über die Grundschule hinaus in Pedro II machbar ist.

Trotz vielfältiger und existentieller Nöte in den Familien lernen die Kinder und Jugendlichen über den konventionellen Schulunterricht hinaus z.B. öffentliche Ansprachen und Vorträge zu halten, ihr Selbstvertrauen zu entwickeln, an Theateraufführungen teilzunehmen, landwirtschaftliche Produktionsvorgänge in unserer Halbwüstenregion zu planen bzw. selbst im Kleinen durchzuführen und eine positive Weltsicht zu kultivieren.

Aber aller Anfang war auch für uns schwer. Am Anfang hatten wir viele Fragen und Zweifel: Wo sollen wir beginnen? Welche Methoden sollen wir übernehmen? Wer kann den Unterricht durchführen?

Um die Fragen zu klären, haben wir uns umfassend informiert und geeignete Lehrkräfte gesucht. Allerdings hatten wir auch konkrete Vorstellungen und Wünsche für unsere Schule: die Bildungsarbeit sollte eine hohe Qualität haben, die je eigene Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen wertschätzen und ressourcenorientiert ausgerichtet sein.

Der Unterricht sollte die Bedürfnisse vor Ort berücksichtigen und nicht nur Formeln und Lerninhalte vermitteln, sondern auch das soziale Miteinander und den Forscherdrang der Kinder im Blick haben. Der Respekt vor der Umwelt und die Maxime: »Global denken, lokal handeln« sollten wichtige Bestandteile unserer Arbeit sein.

Natürlich waren wir nicht vor Fehlern auf dem langen Weg gefeit. Wenn wir diese allerdings bemerkt haben, wurde Unterstützung geholt und neue Wege gesucht. Wir haben uns sachkundig gemacht und diskutiert, damit das oberste Ziel der Schule, die Bildung mündiger Bürger, immer erreicht werden konnte.

Nach 10 Jahren Schulalltag gibt es natürlich viele Erfolge. Davon sind einige ziemlich offensichtlich, andere wiederum eher unscheinbar:

  • immer genügend Schüler, die die Ganztagsschule besuchen und eine umfassende wissensorientierte, umweltpolitische, sportliche, kulturelle und landwirtschaftlich orientierte Bildung erhalten
  • Oberstufenschüler, die jährlich bis zu 10 Vorträge auch außerhalb der Schule zu Umweltthemen und zur politische Bildung halten
  • Schüler, die eine veränderte Sicht ihrer Heimat bekommen, die lange als unwirtlich, unterentwickelt, lebensfeindlich, klimatisch trocken und arm galt. Sie lernen, dass auch ihr Stück Erde kulturelle Vielfalt, jahreszeitlich begrenzten Überfluss, soziale Werte und Zukunftsperspektiven in kleinbäuerlichen und anderen Berufen zu bieten hat.
  • Praktische Ausbildung zur Schaffung kleinbäuerlicher Existenzen
  • Elternarbeit, in Form von Einführung und Unterstützung in adäquate landwirtschaftliche Produktionsweisen
  • Interdisziplinäre Projektarbeit inner- und außerhalb der Schule mit folgenden 5 Jahresthemen: Abfall – Ein Körnchen Erde – Ernährung – Sauberkeitssiegel – Kleinbäuerliche Landwirtschaft – Artenvielfalt
  • Förderung kreativer Tätigkeiten, durch die Schülerinnen und Schüler auf eine sehr persönliche und intime Art Anteil an der Weiterentwicklung der zivilen Gesellschaft haben.
  • Errichtung der ersten Bibliothek in Pedro II mit derzeit mehr als 1875 Büchern. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern sind als mobiles »Rucksack-Literatur Team« unterwegs, um durch Lese-Events die Literatur auch in die entlegensten Orte von Pedro II zu bringen und dort bekannt zu machen.
  • Organisation von öffentlichen Märkten und Veranstaltungen, um die Ökoschule und die Bevölkerung von Pedro II einander näher zu bringen: 4 Ökomärkte mit regionalen Bioprodukten, 2 Literaturfestivals, 1 Historienmarkt
  • Jährliche Exkursionen zu unterschiedlichen Themen: Umwelt, Geschichte, Kultur

Der brasilianische Schriftsteller Carlos Drummond de Andrade schreibt folgenden Gedanken, der unserer Meinung nach gut zu unserem 10-jährigen Schuljubiläum passt: »Alles lohnt sich für die, die eine große Seele haben.«

Auch wir wollten wissen, ob sich die Anstrengung der letzten Jahre für unsere Seelen gelohnt hat und finden die Antwort in der Freude über die Erfolge unserer Schülerinnen und Schüler:

  • 33 Schulabgänger/-innen der letzten 10 Jahre absolvieren inzwischen in den unterschiedlichsten Disziplinen (Naturwissenschaften, Sprachen, Agrarwissenschaften, Pädagogik, Sozialwissenschaften, Philosophie, Kunst, Medizin etc.) ein Universitätsstudium in Nachbarstädten von Pedro II oder in der Hauptstadt von Piauí, in Teresina.
  • 3 Schulabgänger machen eine technische Ausbildung
  • viele arbeiten in Restaurants, im Einzelhandel, als Bürokraft oder in kommunalen Projekten auf dem Land
  • 17 Schulabgänger/-innen sind inzwischen verheiratet und haben insgesamt 13 Kinder. Die jungen Familien versuchen nach modernen und tragfähigen ethischen Werten ihr Miteinander verantwortungsvoll zu gestalten

Schülerinnen und Schüler der bisherigen Abschlussklassen gaben uns immer wieder positive und ermutigende Rückmeldungen:

Fransdiego, der inzwischen die Aufnahmeprüfung für das Geografie-Studium geschafft hat, sagte: »Vor meinem Eintritt in die Ökoschule habe ich mich viel mit sinnlosen Sachen beschäftigt. Ich war richtig faul. Die Ökoschule hat mir geholfen davon los zu kommen. Die Lehrer und Lehrerinnen haben an mich geglaubt.«

Dário, der derzeit in der Erwachsenenbildung tätigt ist, sagte: »Die Freunde aus meiner Zeit vor der Ökoschule sind heute drogen- und alkoholabhängig und ziemlich ziellos. Hätte ich die Ökoschule nicht besuchen können, wäre ich sicherlich auch so geworden.«

Marcos, der mit zur ersten Schulabgängergeneration gehört, bedankte sich bei der Schule, »weil sie ihm geholfen hat, sein Leben wertschätzen zu lernen und einen Sinn darin zu sehen.«. Als Marcos zu uns kam, hatte er schlechte Erfahrungen mit der Schule. Er war Schulverweigerer. Zuhause war er aggressiv und tat sich schwer, weil er ein Adoptivkind war. Heute ist er selbst Vater.

Douglas, der derzeit Geografie studiert und als Kulturmanager arbeitet, sagte: »Die Ökoschule hat uns verwöhnt. Wir sind Menschen geworden, die heutzutage Ansprüche stellen und das schlecht Gemachte nicht mehr akzeptieren wollen.« Douglas tut sich schwer mit den qualitativ schlechten Vorlesungen und Seminaren an der Uni.

Eine von der Kommune für unsere Schule freigestellte Lehrerin resümiert ihre Erfahrungen so: *»Wenn die Schülerinnen und Schüler die Schule abschließen, dann sind sie alle für irgend etwas vorbereitet worden, was sie besonders gut können. Deswegen finden sie danach immer eine Tätigkeit, mit der sie ihr Leben unterhalten können. Die einen halten Vorträge, die anderen interessieren sich für‘s Theater und organisieren entsprechende Veranstaltungen. Wieder andere arbeiten für den Rundfunk oder entdecken ihre künstlerische Begabung. Immer gibt es auch solche unter den Schülern, die bewusst in ihrer Region bleiben wollen und ein Leben als Kleinbauer beginnen. Viele tun das, was ihnen im Lauf der Schuljahre wichtig geworden ist.«**

Vieles haben wir schon geschafft, aber es bleibt dennoch viel zu tun. Bei all dem können wir uns »Gott sei dank« auf Ihre finanzielle und solidarische Unterstützung verlassen. Es tut gut zu wissen und zu erleben, dass Privatpersonen, Gruppen, Vereine und Institutionen an unsere Arbeit für eine bessere Welt mit weniger Gewalt, für mehr gegenseitigen Respekt und für bessere Lebensbedingungen für unsere Landsleute glauben. Unser Dank gilt jeder und jedem von Ihnen persönlich!

Es warten weitere 10 Jahre auf uns. Und danach weitere 10… Es wird immer genügend interessierte Schüler geben. Deswegen werden sich auch die kommenden Jahre für uns lohnen und unsere Seelen weiten.

Mit herzlichen Grüssen von allen aus Mandacaru.